Montag, 10. Juni 2019


Vegane Ernährung in der Schwangerschaft
 - eine Oecotrophologin wagt selbst zu  denken



In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Der Allgemeinarzt" finde ich einen Artikel der Diplom-Ökotrophologin Brigitte Neumann mit dem Titel "Essen kann so einfach sein - Ernährung in der Schwangerschaft". Ich bin sehr gespannt.



In der Einleitung bezieht sich Brigitte Neumann auf das "Netzwerk Gesund ins Leben",  
www.gesund-ins-leben.d, eine Einrichtung des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE). Die kenne ich schon. Sie kommunizieren, dass vegane Ernährung an sich schon eine Mangelernährung ist, die für die werdende Mutter und das Ungeborene mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden ist. "Nur mit umfangreicher Supplementierung und mit engmaschigen fachärztlichen Kontrollen könnten unbelehrbare Frauen das Wagnis eingehen" höre ich bei ihnen heraus. Ich lese trotzdem weiter und werde angenehm überrascht.

Brigitte Neumann schreibt über pränatale (vorgeburtliche) Prägung des Kindes und seines Stoffwechsels und wie wichtig ausgewogene Ernährung und ein gesunder Lebensstil in der Schwangeschaft sind. Auch der Hinweis auf eine folsäurereiche Ernährung bzw. Folsäuresupplementierung schon vom Kinderwunsch an fehlt nicht.

Sie bezeichnet ausgewogene MIschkost oder vegetarische Ernährung als unproblematisch, ohne dabei eine Kostform zu favorisieren. Dabei betont sie die Bedeutung von Vollkornprodukten, Nüssen, Obst, Gemüse, Salaten und Rohkost. Jetzt wird es spannend.
Es folgt ein oecotrophologischer Exkurs durch die vegane Schwangerschaft.

Zuerst der erhobene Zeigefinger! Zitat: "Vegan braucht (mindestens) B12." Ok, damit gehe ich noch d´accord. Danach entspannte Gelassenheit.
Zunächst ein Hinweis auf die Bedeutung hochwertiger Proteine und die Empfehlung von Bohnen, Linsen, Kichererbsen und Soja mit der Bemerkung, dass diese nicht nur hochwertiges Protein, sondern auch wichtige Mineralien und Vitamine liefern. Auch Hafer und Hirse werden in diesem Zusammenhang noch hervorgehoben. Sesam sei ein "MIneralstoffkraftpaket", das zur Versorgung mit Eisen und Kalzium beiträgt. 

Es sei zwar nicht wissenschaftlich erwiesen, dass Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren einen Vorteil in der Schwangerschaftbringe, gleichzeitig spräche nichts dagegen, dass Frauen, die keinen Fisch essen, Nüsse und Saaten in ihren Speiseplan aufnehmen würden. Insbesondere Walnüsse, Leinsamen, Sesam und Kürbiskerne würden wichtige Omega-3-Fettsäuren liefern.
Mein Kommentar: Die im engeren Sinne kritischen Omega-3-Fettsäuren DHA finden sich tatsächlich nur in fettem Seefisch und in Algen. Und  in den Fisch kommen sie auch nur, weil sich die Fische unter anderem von Algen ernähren. Grundbaustein für DHA und EPA ist die Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure. Die wiederum findet sich in oben genannten Nüssen und Saaten. Bei meinen Untersuchungen konnte ich bisher keine/n (!) Veganer/In finden mit einem Mangel an DHA oder EPA. Unsere Leber scheint also doch entgegen bisheriger ernährungswissenschaftlicher Ansicht ausreichende Mengen EPA und DHA aus Alpha-Linolensäure bilden zu können. Meeresalgen in den Speiseplan der Schwangeren mit aufzunehmen halte ich für bedenklich, da wir bei der zunehmenden Verschmutzung der Meere nicht abschätzen können, wie hoch die Schadstoffbelastung der Algen ist. Das gilt allerdings um so mehr für Fische. Die stehen in der Nahrungskette hinter den Algen.

Ein besonderer Tipp der Autorin: Haferdrink. Er enthalte nicht nur besonders wertvolle Nährstoffe, er wirke sich auch beruhigend auf den Magendarmtrakt aus. Ergänzend liefert sie ein Rezept zu eigenen Herstellung von Haferdrink:
1 Esslöffel feine Haferflocken mit 1 Prise Salz  in 250 ml Wasser unter Rühren Kochen bis sich die Haferflocken (fast) aufgelöst haben.

Zur Supplementierung von Jod wird generell geraten, es wird aber nicht konkret darauf eingegangen mit dem Hinweis, die Jodzufuhr mit der/dem Arzt /Ärztin zu besprechen, gerade auch unter Berücksichtigung bestehender oder in der Vergangenheit gehabte Schilddrüsenerkrankungen. Dem stimme ich zu. 

Es schließen sich allgemeine Empfehlungen an. Kein Alkohol, kein Nikotin, auch kein Passivrauchen! Kein Schimmel. (Mein Kommentar: Auch leicht angeschimmeltes Obst und Gemüse nicht "sauberschneiden" sondern in den Kompost geben, Nüsse und Getreide, die muffig riechen nicht verwenden. Keine Erdnüsse.

Rohkost vor der Zubereitung immer gründlich waschen, um bakterielle Kontaminationen zu entfernen, die zu einer Infektion führen könnten. Eine Zwischenüberschrift lautet sogar "Cook it, boil it, peel it or forget it" (Koche es, siede es, sckäle es oder lass´ es), was sich schonend angewendet sogar teilweise noch mit Rohkost vereinbaren ließe. 

Ein weiterer Hinweis gilt der Blutzuckerregulation zur Vermeidung von Blutzuckerspitzen:
Kohlenhydrahte, d.h. Brot, Nudeln, Kartoffeln ect. immer in Kombination mit Gemüse essen und  nicht solo. 
Mein Kommentar: Insbesondere bei Schwangerschaftsdiabetes in der Vorgeschichte, in der Familie, bei verminderter Glukosetoleranz und natürlich bei Diabetes und Schwangerschaftsdiabetes. Vollkorn immer bevorzugt, reichlich Ballaststoffe und kein tierliches Protein.

Ein Tipp der Autorin bei Sodbrennen: 5-6 süße Mandeln gründlich kauen.
Mein Kommentar: Falls Mandeln nicht wirken wie erwünscht, das gleiche mit einem Esslöffel Haferflocken versuchen.

Zu guter letzt rät die Autorin dazu, auch auf die innere Stimme zu hören und Gelüsten nach bestimmten, wenn auch seltsamen, Speisekombinationen eher nachzugeben, als sie sich zu verbieten.

Hut ab und herzlichen Dank, Frau Neumann, 
für den offenen und entspannten Umgang mit veganer Ernährung in der Schwangerschaft und für die nützlichen Informationen!

Quelle: Der Allgemeinarzt 9_2019 S.40-42

Foto:Pixabay Free Photos  

 Literaturempfehlungen für eine gesunde vegane Schwangerschaft:




Mein besonderer Tipp:

Mit Vorwort von mir und wundervoll illustriert. Ein kleines Kunstwerk voller
Informationen und Köstlichkeiten!

Carmen Hercegfi, Sarah Gebhardt
Vegan in anderen Umständen
Hardcoverbuch: 288 Seiten
GrünerSinn-Verlag; Auflage: Zweite
ISBN: 978-3946625100
€ 34,95




Dr. Markus Keller, Edith Gätjen

Vegane Ernährung. Schwangerschaft, Stillzeit und Beikost. Mutter und Kind gut versorgt.
2017. 189 S., 70 Farbzeichnungen, 18 Tabellen, geb.
ISBN 978-3-8001-5126-4. 
€ 24,90. ET-Ist: 19.01.2017










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